Die erste neue Stadtbahn ist eingetroffen!

Bahnbrechende Weiterentwicklung der bewährten Hochflurflotte: Premierenfahrzeug ist Vorreiter bei Energieverbrauch, Sicherheit und Barrierefreiheit.

Gut eingepackt ist Anfang Dezember auf dem DSW21-Betriebshof in Dorstfeld ein großes Paket angekommen. Wobei „groß“ noch eine Untertreibung ist, denn das verfrühte Weihnachtsgeschenk ist stolze 28 m lang und 38 t schwer. Diese Maße bringt die erste neue Hochflur-Stadtbahn mit auf den Gabentisch und zeigt: Jetzt kommt etwas, auf das sich die Dortmunder Fahrgäste richtig freuen können. Heute (15. Dezember) hat das Dortmunder Verkehrsunternehmen seinen auf mehreren Ebenen bahnbrechenden Neuzugang der Öffentlichkeit präsentiert.

Die Dortmunder Fahrgäste müssen sich zwar noch bis zum Sommer 2023 gedulden, bis sie in das erste von insgesamt 26 neuen Fahrzeugen steigen. Sie können sich aber jetzt schon auf hochmoderne Bahnen freuen, die bei Themen wie Energieeffizienz, Barrierefreiheit und Sicherheit aber auch Innenraumgestaltung, Komfort und Fahrgastinformation echte Vorreiter sein werden. Und nicht nur das: Bei der Fahrzeugdämmung und -absenkung sind die Bahnen sogar bundesweit einmalig und damit Vorbilder für die gesamte Nahverkehrsbranche.

Die 26 neuen und 64 bereits vorhandenen Hochflurstadtbahnen (B-Wagen), die in den nächsten Jahren baugleich modernisiert werden, können mit einer Vielzahl weiterer sichtbarer und unsichtbarer Features auftrumpfen, die den Fahrgästen zugutekommen werden. DSW21-Verkehrsvorstand Hubert Jung: „Ich lehne mich sicher nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich unseren Fahrgästen zukünftig ein ganz neues Fahrerlebnis verspreche.“

Die sieben Top-Features der Bahnen:

Kneeling: Verneigen für mehr Barrierefreiheit

Neu ist, dass DSW21 das bundesweit erste Verkehrsunternehmen ist, das Bahnen mit Luftdruck-Absenkung ins Liniennetz bringen wird. Die neuen Bahnen können auf Anforderung - ähnlich wie man es von Bussen kennt - 3 cm in die Knie gehen. Zusammen mit baulichen Maßnahmen sorgt dieses »Kneeling« dafür, dass die Höhendifferenz zum Bahnsteig im gesamten Netz nur noch maximal 5 cm beträgt. Eine entscheidende Verbesserung der Barrierefreiheit für in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen, etwa gehbehinderte Menschen oder Rollstuhlfahrende. Aber auch Fahrgäste mit Kinderwagen oder Rollatoren profitieren davon.

Dämmung: Quantensprung für mehr Energieeffizienz 

Bei der Energieeffizienz geht DSW21 neue Wege und versieht die Bahnen mit einer bundesweit einzigartigen Dämmung. Tests in einem Klimakanal, die mit Bestnoten bestanden wurden, bescheinigen dem Fahrzeug Spitzenwerte beim Thema Heizung und Energie: So wird die installierte Heizleistung um mehr als 70 % von 100 kW auf nur noch 27 kW reduziert, ohne dass die Fahrgäste es wahrnehmen werden. Denn die Wagen können in der kalten Jahreszeit effektiver beheizt werden – im Sommer heizen sie sich dafür umgekehrt weniger schnell auf. Der Stromverbrauch der gesamte Hochflurflotte reduziert sich insgesamt um rund 4,8 Mio. kWh pro Jahr, das entspricht dem Verbrauch von mehr als 1.000 Vier-Personen-Haushalten.

Klimafreundlich ist die aus insgesamt 121 Hoch- und Niederflurbahnen bestehende Stadtbahnflotte seit vielen Jahren, denn sie fährt mit 100 % DEW21-Ökostrom. Mit den neuen Fahrzeugen vollzieht DSW21 in der Öko-Bilanz aber auf mehreren Ebenen einen Quantensprung, betont Ralf Habbes, Technischer Prokurist und Betriebsleiter bei DSW21: „Der Energieverbrauch für Fahrstrom und Strom für die Heizung wird, auf die Gesamtflotte gerechnet, um rund 12,5 % sinken. Das ergibt bei den aktuellen Preisen eine jährliche Einsparung in Höhe von etwa einer Million Euro.“

Tür-Ampel: Grünes Licht für den Einstieg

Die neuen Fahrzeuge haben eine »Tür-Ampel« mit auffälliger LED-Beleuchtung. Grün signalisiert: Fahrgäste können entspannt ein- und aussteigen, blinkendes Licht bedeutet: Der Schließvorgang beginnt. Bei Rot sind die Türen geschlossen: Die Bahn ist bereit zur Abfahrt. Damit sollen gefährliche Situationen, die durch Einstiegsversuche in schließende Türen entstehen können, zukünftig verringert werden.

Kameras und Sensoren: Mehr Sicherheit im toten Winkel

Ultraschallsensoren an den Fahrzeugköpfen leuchten bei den neuen Bahnen tote Winkel aus. Hinten überwachen die Sensoren sowie Kameras den Kupplungsbereich und den Raum zwischen den Wagen. Die Fahrerinnen und Fahrer bekommen die Kamerabilder auf einen Monitor geschaltet. Gerade bei schlechter Sicht, etwa abends oder zur dunklen Jahreszeit, ist das ein wirksamer Schutz vor Unfällen.

Größere Sondernutzungsflächen: Mehr Platz für Rollstuhl und Co.

Rollstühle, Rollatoren oder Kinderwagen nehmen Platz in Anspruch und müssen in der Bahn sicher stehen. Die Sondernutzungsflächen sind in den neuen Wagen deutlich größer und von allen Türen aus sofort erreichbar. Diese Verbesserung kommt vor allem mobilitätseingeschränkten Fahrgäste zugute, aber auch alle, die etwa mit Kinderwagen, Gepäck oder Fahrrad unterwegs sind, haben nun mehr Platz. Diese Verbesserung wurde wie weitere Maßnahmen der Barrierefreiheit wie z. B. optimierte Taster und kontrastreiche Griffstangen mit dem Behindertenpolitischen Netzwerk (BPN) der Stadt Dortmund abgestimmt.

Moderne Sitze: Wünsche aus Sitztest berücksichtigt

Rund 1.100 Fahrgäste beteiligten sich Anfang 2019 an einem groß angelegten Sitztest und stimmten darüber ab, wie die neuen Sitze beschaffen sein sollten: Eher dickes oder eher dünneres Polster? Stoff oder Kunstleder? Normale oder hohe Lehne? Die Wünsche der Fahrgäste – eine spürbare Polsterung, ein Stoffbezug und eine etwas höhere Lehne – wurden bei der Bestellung der insgesamt rund 5.000 Sitze für die neuen und zu modernisierenden Bahnen berücksichtigt.

Ansprechender Fahrgastraum: Komfort, Service und Infotainment

Der Innenraum der Bahnen wurde komplett neu gestaltet und bietet eine einladende Umgebung mit ansprechenden Materialien. Dazu gehören u.a. ein Ambiente-Beleuchtungskonzept, farblich kontrastierte Böden und ein modernes Infotainment- und Fahrgastsystem. Während der Fahrt einmal kurz im Internet surfen und dabei schnell das Handy aufladen? W-LAN und USB-Buchsen gehören in den neuen und modernisierten Bahnen zur Serienausstattung.

Das B-Wagen-Projekt: So geht es weiter

„Das B-Wagen-Projekt ist eine der größten Investitionen in der Geschichte von DSW21“, betont Verkehrsvorstand Hubert Jung. „Eine Ausschreibung und Bestellung über 26 neue und 64 baugleich zu modernisierende Stadtbahnwagen hat es meines Wissens nach in unserer Branche noch nicht gegeben. Das Projekt ist uns aber nicht nur mindestens 210 Mio. € wert, es hat viele Bereiche von Technik bis Einkauf bei uns über Jahre beschäftigt und wird das auch weiterhin tun. Deshalb sind wir sehr stolz, mit der Anlieferung des ersten Wagens in Dortmund einen weiteren wichtigen Meilenstein erreicht zu haben.“ Hubert Jung, der zum 31. Dezember in den Ruhestand geht, übergibt damit dieses Zukunftsprojekt an seinen Nachfolger Ulrich Jaeger, der ihm ab dem 1.1.2023 als Verkehrsvorstand nachfolgt.

Die Anfang Dezember angelieferte neue Bahn soll ab Sommer 2023 im Linienbetrieb eingesetzt werden. Technischer Prokurist und Betriebsleiter Leiter Ralf Habbes erklärt, warum es ein paar Monate dauern wird, bis die Bahn im Netz zu sehen sein wird: „Anders als bei Kraftfahrzeugen, wo die Hersteller amtliche Zulassungen erwirken und ein Fahrzeug einsatzbereit ausliefern, wird eine Bahn vom Betreiber konfiguriert und in Absprache mit der Technischen Aufsichtsbehörde der Bezirksregierung ausgeschrieben und vor Inbetriebnahme abgenommen. Hierfür ist zuvor eine dynamische Inbetriebnahme notwendig, d. h. eine Vielzahl von Baugruppen müssen in Verbindung mit der Infrastruktur justiert, geprüft und abgenommen werden. Nachdem das erste Fahrzeug diese Prozedur erfolgreich durchlaufen hat, müssen alle Funktionen auch in einer Traktion mit einem zweiten Fahrzeug geprüft und Vorgabewerte erfüllt werden. Erst dann können die ersten beiden Wagen mit einer amtlichen Genehmigung in den Fahrgastbetrieb gehen. Für diese komplexen Prüfungen sind in der Bahnbranche Zeiträume bis zu sechs Monaten üblich. Danach werden wir aber deutlich an Geschwindigkeit zulegen: Innerhalb der nächsten drei Jahre werden alle neuen Fahrzeuge geliefert und können dann schnell in Betrieb genommen werden.“ Die Modernisierung der Bestandsfahrzeuge beginnt ab 2024 und dauert bis 2031, was dann auch den offiziellen Projektabschluss markiert.

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